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- Mich
hat, wie ich es dir, geneigter Leser! gestehen
muß, eigentlich niemand nach der
Geschichte des jungen Nathanael gefragt;
du weißt ja aber wohl, daß ich
zu dem wunderlichen Geschlechte der Autoren
gehöre, denen, tragen sie etwas so
in sich, wie ich es vorhin beschrieben,
so zumute wird, als frage jeder, der in
ihre Nähe kommt und nebenher auch
wohl noch die ganze Welt: »Was ist
es denn? Erzählen Sie Liebster?« -
So trieb es mich denn gar gewaltig, von
Nathanaels verhängnisvollem Leben
zu dir zu sprechen. Das Wunderbare, Seltsame
davon erfüllte meine ganze Seele,
aber eben deshalb und weil ich dich, o mein
Leser! gleich geneigt machen mußte,
Wunderliches zu ertragen, welches nichts
Geringes ist, quälte ich mich ab,
Nathanaels Geschichte, bedeutend - originell,
ergreifend, anzufangen: »Es war einmal« -
der schönste Anfang jeder Erzählung,
zu nüchtern! - »In der kleinen
Provinzialstadt S. lebte« - etwas
besser, wenigstens ausholend zum Klimax.
- Oder gleich medias in res: »›Scher
er sich zum Teufel‹, rief, Wut und
Entsetzen im wilden Blick, der Student
Nathanael, als der Wetterglashändler
Giuseppe Coppola« - Das hatte ich
in der Tat schon aufgeschrieben, als ich
in dem wilden Blick des Studenten Nathanael
etwas Possierliches zu verspüren glaubte;
die Geschichte ist aber gar nicht spaßhaft.
Mir kam keine Rede in den Sinn, die nur
im mindesten etwas von dem Farbenglanz
des innern Bildes abzuspiegeln schien.
Ich beschloß gar nicht anzufangen.
Nimm, geneigter Leser! die drei Briefe,
welche Freund Lothar mir gütigst mitteilte,
für den Umriß des Gebildes,
in das ich nun erzählend immer mehr
und mehr Farbe hineinzutragen mich bemühen
werde. Vielleicht gelingt es mir, manche
Gestalt, wie ein guter Porträtmaler,
so aufzufassen, daß du es ähnlich
findest, ohne das Original zu kennen, ja
daß es dir ist, als hättest
du die Person recht oft schon mit leibhaftigen
Augen gesehen. Vielleicht wirst du, o mein
Leser! dann glauben, daß nichts wunderlicher
und toller sei, als das wirkliche Leben
und daß dieses der Dichter doch nur,
wie in eines matt geschliffnen Spiegels
dunklem Widerschein, auffassen könne.
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Now I must confess to you, kind reader, that no one has really asked me for the history of the young Nathaniel, but you know well enough that I belong to the queer race of authors who, if they have anything in their minds such as I have just described, feel as if everyone who comes near them, and the whole world besides, is insistently demanding: 'What is it then - tell it, my dear friend?' Thus was I forcibly compelled to tell you of the momentous life of Nathaniel. The marvelous singularity of the story filled my entire soul, but for that very reason and because, my dear reader, I had to make you equally inclined to accept the uncanny, which is no small matter, I was puzzled how to begin Nathaniel's story in a manner as inspiring, original and striking as possible. 'Once upon a time,' the beautiful beginning of every tale, was too tame. 'In the little provincial town of S____ lived' - was somewhat better, as it at least prepared for the climax. Or should I dart at once, medias in res, with "'Go to the devil," cried the student Nathaniel with rage and horror in his wild looks, when the barometer-dealer, Giuseppe Coppola . . .?' - I had indeed already written this down, when I fancied that I could detect something ludicrous in the wild looks of the student Nathaniel, whereas the story is not comical at all. No form of language suggested itself to my mind which seemed to reflect ever in the slightest degree the coloring of the internal picture. I resolved that I would not begin it at all. So take, gentle reader, the three letters. which friend Lothaire was good enough to give me, as the sketch of the picture which I shall endeavor to color more and more brightly as I proceed with my narrative. Perhaps, like a good portrait-painter, I may succeed in catching the outline in this way, so that you will realize it is a likeness even without knowing the original, and feel as if you had often seen the person with your own corporeal eyes. Perhaps, dear reader, you will then believe that nothing is stranger and madder than actual life; which the poet can only catch in the form of a dull reflection in a dimly polished mirror.
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