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Literature: Das Bettelweib von Locarno.

  Seite 5: Das Bettelweib von Locarno. (von Heinrich von Kleist)



deutscher Text English text
 

*Die Marquise, am andern Morgen, da er herunterkam, fragte ihn, wie die Untersuchung abgelaufen; und da er sich mit scheuen und ungewissen Blicken umsah und, nachdem er die Tür verriegelt, versicherte, daß es mit dem Spuk seine Richtigkeit habe: so erschrak sie, wie sie in ihrem Leben nicht getan und bat ihn, bevor er die Sache verlauten ließe, sie noch einmal in ihrer Gesellschaft einer kaltblütigen Prüfung zu unterwerfen. Sie hörten aber samt einem treuen Bedienten, den sie mitgenommen hatten, in der Tat in der nächsten Nacht dasselbe unbegreifliche, gespensterartige Geräusch; und nur der dringende Wunsch, das Schloß, es koste was es wolle, loszuwerden, vermochte sie, das Entsetzen, das sie ergriff, in Gegenwart ihres Dieners zu unterdrücken und dem Vorfall irgendeine gleichgültige und zufällige Ursache, die sich entdecken lassen müsse, unterzuschieben. Am Abend des dritten Tages, da beide, um der Sache auf den Grund zu kommen, mit Herzklopfen wieder die Treppe zu dem Fremdenzimmer bestiegen, fand sich zufällig der Haushund, den man von der Kette losgelassen hatte, vor der Tür desselben ein; dergestalt daß beide, ohne sich bestimmt zu erklären, vielleicht in der unwillkürlichen Absicht, außer sich selbst noch etwas Drittes, Lebendiges, bei sich zu haben, den Hund mit sich in das Zimmer nahmen.

 

The next morning when he came downstairs his wife inquired what he had discovered; he looked round with nervous and troubled glances, and after fastening the door assured her that the rumor was true. The Marquise was more terrified than ever in her life, and begged him, before the rumor grew, to make a cold-blooded trial in her company. Accompanied by a loyal servant, they spent the following night in the room and heard the same ghostly noises; and only the pressing need to get rid of the castle at any cost enabled the Marquise in the presence of the servant to smother the terror which she felt, and to put the noise down to some ordinary and casual event which it would be easy to discover. On the evening of the third day, as both of them, with beating hearts, went up the stairs to the guestroom, anxious to get at the cause of the disturbance, they found that the watch-dog, who happened to have been let off his chain, was standing at the door of the room; so that, without giving a definite reason, both perhaps unconsciously wishing to have another living thing in the room besides themselves, they took him into the room with them.


*
poetic construction

Vokabular  
 

herunterkommen = to come down

 

bekannt machen = to publish

 

ein treuer Bedienter (Diener) = faithful servant

 

unterdrücken (verheimlichen) = to hide

 

das Fremdenzimmer (Gästezimmer) = guest room

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